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Gericht: Landesarbeitsgericht Berlin
Urteil verkündet am 19.08.2005
Aktenzeichen: 13 Sa 964/05
Rechtsgebiete: GewO, Berliner Gesetz zur Errichtung bezirklicher Ordnungsämter v. 24.6.2000
Vorschriften:
GewO § 106 | |
Berliner Gesetz zur Errichtung bezirklicher Ordnungsämter v. 24.6.2000 (GVBl. S. 253) (OAErrG) |
Landesarbeitsgericht Berlin Im Namen des Volkes Urteil
Verkündet am 19.08.2005
In Sachen
hat das Landesarbeitsgericht Berlin, 13. Kammer, auf die mündliche Verhandlung vom 19.08.2005 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Fenski als Vorsitzenden sowie die ehrenamtlichen Richter Frau Krombholz und Herrn Kraska
für Recht erkannt:
Tenor:
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 11. März 2005 - 91 Ca 21970/04 - wird auf ihre Kosten bei einem Streitwert von 3.800,00 EUR in der 2. Instanz zurückgewiesen.
II. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten zuletzt noch um die Wirksamkeit einer Versetzung vom 8. Dezember 2004.
Die Klägerin war seit dem 1. Mai 1976 bei dem Polizeipräsidenten des beklagten Landes als "Angestellte im Verkehrsüberwachungsdienst - Politesse" in der Direktion 1 für ein Bruttomonatsgehalt in Höhe von zuletzt 1.900,-- € beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Bundesangestellten-Tarifvertrag (BAT) Anwendung.
Durch das Gesetz zur Errichtung bezirklicher Ordnungsämter (OÄErrG) vom 24. Juni 2004 (GVBl. Seite 253) sind die straßenbehördlichen Ordnungsaufgaben zur Senatsverwaltung für St. - Verkehrslenkung Berlin - sowie zu den Bezirksämtern verlagert worden. Die Überwachung des ruhenden Verkehrs wird nunmehr von den bezirklichen Ordnungsämtern wahrgenommen.
Bereits mit Schreiben vom 24. Mai 2004 hatte der Beklagte alle von der Gesetzesänderung betroffenen Dienststellen und ihre Mitarbeiter, darunter auch die Klägerin, auf eine am 8. Juni 2004 durchgeführte Informationsveranstaltung hingewiesen, in der über die aus der Änderung der Zuständigkeit der straßenbehördlichen Ordnungsaufgaben resultierenden Folgen informiert wurde. Die Mitarbeiter erhielten dabei die Möglichkeit, anzugeben, in welchem Bezirksamt sie künftig tätig zu sein wünschten. Die Klägerin gab hierbei das Bezirksamt R. an.
Mit Schreiben vom 5. Oktober 2004 hörte der Beklagte den Personalrat der Direktion 1 und mit Schreiben vom 20. Oktober 2004 den des Bezirksamts R. zu der beabsichtigten Versetzung der Klägerin an. Diese stimmten der Versetzung am 5. und 27. Oktober 2004 zu. Daraufhin sprach der Beklagte mit Schreiben vom 8. Dezember 2004 die Versetzung der Klägerin zum Bezirksamt R. rückwirkend zum 1. November 2004 aus.
Das Arbeitsgericht Berlin hat die gegen die Versetzung vom 8. Dezember 2004 gerichtete Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass die zuletzt noch streitgegenständliche Versetzung vom 8. Dezember 2004 wirksam sei. Die Parteien hätten die Anwendung des BAT für das Arbeitsverhältnis vereinbart, so dass sich die Versetzungsmöglichkeit nach § 12 Abs. 1 BAT bestimme. Danach sei eine Versetzung zulässig, wenn sie aus dienstlichen Gründen erfolge. Derartige dienstliche Gründe lägen hier vor.
Durch das OÄErrG seien ehemals bei dem Polizeipräsidenten angesiedelte Aufgaben, wie z.B. die Überwachung des ruhenden Verkehrs, auf die bezirklichen Ordnungsämter übertragen worden. Damit sei bei dem Polizeipräsidenten der Beschäftigungsbedarf für die ehemals mit diesen Aufgaben bei ihm beschäftigten Mitarbeiter, darunter die Klägerin, entfallen. Mit der Verlagerung dieser Tätigkeiten auf die Bezirksämter sei zugleich dort der entsprechende Beschäftigungsbedarf entstanden, so dass zur Wahrnehmung dieser Aufgaben die Versetzung im Interesse des öffentlichen Dienstes und damit aus dienstlichen Gründen im Sinne von § 12 Abs. 1 BAT gerechtfertigt sei. Es könne dahingestellt bleiben, ob die Übertragung der Ordnungsaufgaben auf die Bezirksämter wegen Verstoßes gegen § 26 Abs. 1 Satz 1 StVG verfassungswidrig sei. Denn selbst wenn die Wahrnehmung der Verfolgung der Ordnungswidrigkeiten durch die Bezirksämter gegen § 26 Abs. 1 Satz 1 StVG verstoßen sollte, so sei die Versetzung der Klägerin zum Bezirksamt R. zur Wahrnehmung dieser Aufgaben als unternehmerische Entscheidung nur dann unsachlich und damit rechtswidrig, wenn der Schutzzweck der verletzten Norm das betroffene Arbeitsfeld unmittelbar erfasse. § 26 Abs. 1 StVG diene jedoch offensichtlich nicht dem Schutz der mit der Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten befassten Arbeitnehmer, sondern enthalte eine Zuständigkeitsregelung, mit der die Rechtssicherheit bei der Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten im Sinne der §§ 24, 24a StVG im Interesse der Verkehrsteilnehmer gewahrt werden solle.
Schließlich sei die Versetzungsentscheidung auch nicht ermessensfehlerhaft erfolgt. Insbesondere widerspreche es nicht dem billigen Interesse im Sinne von § 315 BGB, dass der Beklagte bei der Auswahl der zu versetzenden Angestellten allein auf die Politessen zurückgegriffen habe und nicht auf sämtliche Angestellten der gleichen Vergütungsgruppe. Die Politessen hätten die nunmehr vom Bezirksamt wahrzunehmenden Aufgaben bisher ausgeübt und verfügten daher über die erforderliche Ausbildung und Erfahrung, während ansonsten die anderen, bislang nicht mit derartigen Aufgaben befassten Mitarbeiter, extra zu schulen wären.
Endlich seien die Klägerin und die beteiligten Personalräte vor der Versetzung ordnungsgemäß angehört worden.
Wegen der weiteren konkreten Begründung des Arbeitsgerichts und des Vortrags der Parteien erster Instanz wird auf das Arbeitsgerichtsurteil vom 11. März 2005 (Bl. 96-104 d.A.) verwiesen.
Gegen dieses ihr am 8. April 2005 zugestellte Urteil richtet sich die beim Landesarbeitsgericht Berlin am Montag, dem 9. Mai 2005, eingegangene und nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 30. Juni 2005 am 30. Juni 2005 per Fax begründete Berufung der Klägerin.
Sie hält das arbeitsgerichtliche Urteil aus Rechtsgründen für fehlerhaft. So habe der Beklagte entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts kein und damit ein fehlerhaftes Auswahlverfahren vorgenommen, so dass ein Ermessen, das die Versetzung hätte rechtfertigen können, gar nicht ausgeübt worden sei. Der Beklagte hätte ein Auswahlverfahren anhand sozialer sowie sachlicher Kriterien zwischen allen vergleichbaren Angestellten in der Behörde des Polizeipräsidenten vornehmen müssen, was er versäumt habe. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts komme es im vorliegenden Fall auf die Verfassungsmäßigkeit des Ordnungsämtergesetzes an, denn die Versetzung, d.h. die geltend gemachten betrieblichen Interessen, gründeten gerade auf der Geltung des OÄErrG. Der vom Arbeitsgericht insofern angesetzte Maßstab der Unsachlichkeit sowie das Abstellen auf den arbeitsrechtlichen Schutzbereich einer verletzten Norm gingen fehl, da es auf diesen Maßstab zwar im Rahmen eines Revisionsverfahrens, nicht aber für die Klärung der Frage der Entscheidungserheblichkeit im Rahmen einer inzidenten Normenkontrolle ankomme. Das Arbeitsgericht hätte zur Wahrung des rechtlichen Gehörs der Klägerin prüfen müssen, ob es auf die Geltung des OÄErrG für die Entscheidung des Arbeitsgerichtsurteils ankomme oder nicht. Dies habe es nicht getan, da es sich mit der Frage der Entscheidungserheblichkeit gar nicht auseinandergesetzt habe.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 11. März 2005 - 91 Ca 21970/04 - abzuändern und
1. festzustellen, dass die Versetzung der Klägerin zum Bezirksamt R. von Berlin mit Schreiben vom 8. Dezember 2004 unwirksam ist,
2. die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin zu unveränderten Bedingungen als Politesse im Verkehrsüberwachungsdienst in der Behörde des Polizeipräsidenten in Berlin weiterzubeschäftigen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil, er hält außerdem einen Verstoß gegen § 26 StVG für nicht gegeben, da dort vorgesehen sei, dass die straßenverkehrsbehördlichen Maßnahmen von den Ordnungsämtern wahrgenommen werden könnten. Dies seien vorliegend die bezirklichen Ordnungsämter.
Wegen des weiteren Vortrags der Parteien in der zweiten Instanz wird auf die Schriftsätze der Klägerin vom 30. Juni 2005 (Bl. 136 ff. d.A.) und des Beklagten vom 8. August 2005 (Bl. 158 ff. d.A.) verwiesen.
Entscheidungsgründe:
I.
Die gemäß §§ 8 Abs. 2; 64 Abs. 1, Abs. 2 Buchst. b, Abs. 6; 66 Abs. 1 Satz 1 und Satz 5 ArbGG; §§ 519; 520 Abs. 1 und Abs. 3 ZPO zulässige Berufung ist insbesondere formgerecht und fristgemäß eingelegt und begründet worden.
II.
In der Sache hat die Berufung der Klägerin jedoch keinen Erfolg. Sowohl im Ergebnis als auch in der Begründung größtenteils zu Recht hat das Arbeitsgericht Berlin die Klage sowohl hinsichtlich des Feststellungsantrages als auch hinsichtlich der Leistungsklage auf Weiterbeschäftigung abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht Berlin folgt dem Arbeitsgericht Berlin und sieht gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG von einer ausführlichen Begründung ab. Im Hinblick auf die Berufungsbegründung der Klägerin und die Erörterungen in der mündlichen Verhandlung vom 19. August 2005 wird nur auf Folgendes hingewiesen:
1.
Der Beklagte hat entgegen der Auffassung der Klägerin sein Auswahlermessen ordnungsgemäß im Sinne von §§ 15 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 BGB; 106 Satz 1 GewO ausgeübt. Entgegen der Auffassung der Klägerin musste der Beklagte nicht etwa sämtliche Arbeitnehmer der gleichen Vergütungsgruppe in der Behörde des Polizeipräsidenten in Berlin in die Auswahlentscheidung vor der Versetzung mit einbeziehen.
a)
Wie die Klägerin insofern zutreffend vorträgt, ist jede Versetzung als Weisung im Sinne von §§ 315 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 BGB; 106 GewO in Hinblick auf ihre Billigkeit daraufhin zu überprüfen, ob die wesentlichen Umstände des Falles unter Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt worden sind (vgl. nur BAG 16.9.1998 EzA § 315 BGB Nr. 49, zu 2 a) der Gründe; ebenso das von der Klägerin zitierte Urteil des BAG vom 21.1.2004 - 6 AZR 583/02 - AP Nr. 1 zu § 12 MTA-O = NZA 2005, 61 ff., zu II 2 d) der Gründe; ferner BAG 23.9.2004 - 6 AZR 442/03 - NZA 2005, 475 ff. = EzA § 611 BGB 2002 Direktionsrecht Nr. 1, zu I 3 der Gründe).
b)
Das Interesse der Klägerin an ihrer Weiterbeschäftigung beim Polizeipräsidenten tritt hinter das dienstliche Interesse des Beklagten an ihrem Einsatz bei den bezirklichen Ordnungsämtern zurück.
aa)
Beim Polizeipräsidenten in Berlin gibt es nach der organisatorischen Neuregelung durch das OÄErrG keinen Parkraum- und Verkehrsüberwachungsdienst mehr. Es bestand daher ein dringendes betriebliches Bedürfnis, auf den Arbeitskräfteüberhang dergestalt zu reagieren, dass die Klägerin den verbliebenen Aufgaben nachfolgte, die Klägerin also zu den bezirklichen Ordnungsämtern versetzt wurde.
bb)
Auf Seiten der Klägerin ist damit - jedenfalls vorerst - faktisch keine Änderung von Arbeitsinhalt, -zeit oder -ort erfolgt. Denn die Klägerin ist weiterhin als Angestellte im Verkehrsüberwachungsdienst in ihrem bisherigen Bereich zu den bisherigen Zeiten beschäftigt, nur für eine andere Behörde. Dass die Bezirksämter nach Meinung der Klägerin in Zukunft die Angestellten im Verkehrsüberwachungsdienst als sogenannte Kiezstreifen einsetzen wollen, liegt der vorliegenden Versetzung nicht zugrunde und kann allenfalls später als entsprechende Weisung des Bezirksamtes auf seine Billigkeit untersucht werden.
cc)
Der Beklagte war auch nicht gehalten, Arbeitnehmer des bisherigen Innendienstes (Bußgeldstelle) als Politessen zu beschäftigen bzw. an das entsprechende Bezirksamt zu versetzen und die Klägerin stattdessen im Innendienst des Polizeipräsidenten zu verwenden. Insofern durfte der Beklagte im Rahmen seines Ermessens dem Arbeitsinhalt eine höhere Bedeutung als etwa Lebensalter, Betriebszugehörigkeit oder Unterhaltspflichten beimessen. Dies folgt schon aus der nach Auffassung des Gerichts schwierigen Tätigkeit der Klägerin im Außendienst als Politesse. Gerade die Entscheidung, eine nach dem Akteninhalt über 28 Jahre als Politesse versierte und anscheinend entsprechend gut beurteilte Arbeitnehmerin in genau dieser Tätigkeit im gleichen Tätigkeitsbezirk zu den gleichen Zeiten nur für eine andere Behörde arbeiten zu lassen, ist billiger und angemessener, als einem Arbeitnehmer, der bisher im Innendienst keinen Kontakt mit dem Berliner Verkehr und den Berliner Autofahrer hatte, nur deshalb dort als Politesse einzusetzen, weil er nicht so lange wie die Klägerin beim Polizeipräsidenten gearbeitet hat oder jünger ist als sie. Es kommt damit nicht einmal darauf an, ob derartige Arbeitnehmer bei dem Beklagten im Innendienst überhaupt existieren.
2.
Zutreffend hat das Arbeitsgericht auch entgegen der Auffassung der Arbeitnehmerin entschieden, dass es auf die Rechtsmäßigkeit des OÄErrG nicht ankommt.
Dabei kann es dahinstehen, ob die Aufgabenübertragung gegen ein Bundesgesetz, nämlich § 26 StVG, verstößt. Eine Aussetzung des Rechtsstreits und die Vorlage zum Bundesverfassungsgericht über die Frage der Verfassungswidrigkeit des OÄErrG kam daher nicht in Betracht.
a)
Denn auch insofern ist die Versetzung vom 8. Dezember 2004 gemäß § 106 Satz 1 GewO daraufhin zu überprüfen, ob sie sich unter anderem im Rahmen der geltenden Gesetze hält, diese nicht umgeht oder sich die Versetzung nur unter Verstoß gegen Gesetzes- oder Tarifrecht realisieren lässt, sofern der Schutzzweck der verletzten Norm das betroffene Arbeitsumfeld unmittelbar erfasst (vgl. die bereits vom Arbeitsgericht für das Kündigungsrecht angezogene Entscheidung des BAG vom 7.10.2004 - 2 AZR 122/04 - NZA 2005, 351, 354, zu B I 3 b) aa) der Gründe).
b)
Dies ist vorliegend nicht der Fall. Weder das OÄErrG noch § 26 StVG haben arbeitnehmerschützenden Charakter. Das OÄErrG ist ein reines Zuordnungsgesetz von bestimmten Aufgaben der Ordnungsbehörden, mit denen das Berliner allgemeine Sicherheits- und Ordnungsgesetz geändert wird. § 26 StVG stellt eine Kompetenznorm für die zuständige Ordnungsbehörde dar.
3.
Damit erweist sich die Versetzung vom 8. Dezember 2004 der Klägerin zum Bezirksamt R. als wirksam. Sie konnte jedoch nur ab dem Zeitpunkt des Zugangs dieser Versetzung, nicht rückwirkend zum 1. November 2004 Wirkung entfalten, da die Versetzung als Weisungsrecht nach § 106 Satz 1 GewO als einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung im Zweifel nur Wirkung für die Zukunft hat und dem Arbeitnehmer eine Tätigkeit für eine andere Behörde rückwirkend unmöglich ist.
III.
Die Klägerin trägt die Kosten ihrer erfolglosen Berufung gemäß § 97 Abs. 1 ZPO.
IV.
Für eine Zulassung der Revision bestand kein Anlass.
Ende der Entscheidung
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